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LSB-Traineroffensive
Besondere Orte – Besondere Menschen – Besondere Zeiten
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Situation: Trainer – Die Ausstellung
Die Welt ist aus den Fugen. Politisch, finanziell, digital, klimatisch und viral. Sicherheiten lösen sich auf, das Neue ist nur schemenhaft zu erkennen. Corona hat alle Wandlungsprozesse beschleunigt, vieles liegt im Ungewissen – auch im Sport:Wir leben in einer Zeit der Umbrüche! Der Spitzensport und seine Trainer*innen sind vom Zeitenwandel betroffen.
„DIE BESTEN TRAINER – AN DEN BESTEN ORTEN“:
Unter diesem Titel hat das Magazin des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen Ende 2018 eine einzigartige Fotoserie gestartet, die die Grundlage dieser Ausstellung ist. Das erste Motiv entstand dabei im Parlament des NRW-Landtags.
Zwei Jahre später erscheint dieses Fotomotiv, ja die ganze Serie, wie einDokument eines Zeitenbruchs. Die leeren Sitzreihen im Parlament und im Circus Roncalli, die zwischenzeitliche Insolvenz eines E-Auto-Herstellers, das Schieferbergwerk, das für Besucher
geschlossen ist...Sie wirken rückblickend wie eine Vorahnung auf die Krise.
In Szene gesetzt: Top-Trainerinnen und -Trainer, die
bewusst in einem anderen „Licht“ gezeigt werden, die in Zeiten und Räume „gebeamt“ sind, in denen sie sich üblicherweise nicht aufhalten. So, dass der Betrachter neugierig wird. „Wer ist das ?“... So, dass diese Expert*innen, die sonst oft im Hintergrund stehen, eine ihnen gemäße Bühne erhalten.
Sie sind es gewohnt, ins Ungewisse zu arbeiten. Mit der Absicht, das beste Resultat zu erzielen. Sie sind
Menschen, die trotz vieler persönlicher Unsicherheiten mit Zuversicht und Leidenschaft für ihre Athlet*innen im Einsatz sind,oft von der Gesellschaft unbeachtet. Die dafür sorgen, dass sportliche Spitzenleistungen – auch für ihr Land –erzielt werden. Mit Eigenschaften, die in Zeiten wichtiger Veränderungen mehr denn je
gefordert sind:Weitsicht, Können, Engagement. Ihnen ist diese Ausstellung gewidmet.
Trainer*innen bringen 120 Prozent Einsatz in einem Rund-um-die-Uhr-Job, den Applaus ernten im besten Fall ihre Athlet*innen, und das Land feiert deren Medaillen. Welchen Stellenwert haben Trainer*innen in unserer Gesellschaft?
Das Image dieses Berufs ist nicht wirklich topp. Dabei haben wir es mit Expert*innen zu tun, die junge Menschen zu Höchstleistungen auf Weltstandard vorbereiten! Viele glauben auch, es gäbe nur reiche Toptrainer und jene, die ehrenamtlich tätig sind. Reich werden höchstens Trainer der Fußballbundesliga. Davon ist eine Top-Trainerin, die eine Olympiakandidatin, etwa im Speerwerfen, betreut – und das mit befristetem Vertrag – weit entfernt. Es ist also noch sehr viel Luft nach oben.
Die schwierige Situation der Trainerschaft wird seit Jahren beklagt...
In der Tat hat flächendeckend noch keine Professionalisierung stattgefunden. Standards anderer
Berufe – wie Einstiegstarife, Aufstiegsmöglichkeiten, 39-Stunden-Woche – sind nicht üblich. Selbst beim Arbeitsamt gibt es keine Kategorie für diesen Beruf. Nun hat der DOSB ein Guidelinepapier erstellt, das alle Knackpunkte aufführt, und mit Hilfe des Bundes wurden in den letzen Jahren die Gehälter der Bundestrainer und Bundesstützpunktleiter aufgebessert. Bei allen guten Ansätzen sehe ich jedoch noch keine nachhaltige, systematische Lösung.
Die Welt befindet sich auf vielen Ebenen in einer
Umbruchphase. Wie sieht es beim Leistungssport aus?
Der deutsche Leistungssport insgesamt steht tatsächlich in einem Systembruch. Weg vom Quantitäts- hin zum Qualitätsmodell. Gerade weil es in den Sportarten nicht mehr zahlreiche
Talente pro Altersstufe gibt, müssen Spitzentrainer*innen heute sehr viel früher eng an Trainingsprozessen einzelner Toptalente dran sein und ein gutes Bild von deren langfristigem Leistungsaufbau haben. Es wird inzwischen viel mehr in Trainerteams gearbeitet und die Übergabe von Talenten zum nächsten Trainer muss bis ins Detail abgestimmt sein.
..und der Vereinssport?
Für den Leistungssport ist es entscheidend, dass an der Basis möglichst viele Vereine diesen betreiben, die talentierte Kinder entdecken und entwickeln. Dass dort Trainer*innen mit C-,B-,A-
Lizenz ausgebildet und nach Möglichkeit fest eingestellt werden. Da gilt es noch Akzente zu setzen. Ein gut bezahlter Bundestrainer an der Spitze nützt nichts, wenn von unten keine Talente kommen...
Die Olympischen Spiele wurden wegen Corona verschoben, ebenso Meisterschaften und Wettbewerbe. Welche Auswirkungen ergeben sich für unsere Trainer*innen?
Sie machen im Moment eine Sinnkrise durch. Wenn es, wie aktuell, kein Wettkampfsystem gibt, fehlen die Ziele, auf die sie systematisch hinarbeiten können. Viele hoffen, dass bald wieder Meisterschaften möglich sind. Niemand kann eine konkrete Prognose stellen, selbst die Olympischen Spiele im nächsten Jahr sind ungewiss. Es ist schwierig, da eine vernünftige Trainingsplanung aufzustellen.
Inwiefern hat die Anfang 2019 übernommene Trägerschaft des LSB für die NRW-Olympiastützpunkte den Trainer*innen etwas gebracht?
Sie gehören nun einer Gemeinschaft mit 400 Angestellten an, mit einem Betriebsrat und einer Zusatzversorgung. Soziale Errungenschaften, die sie vorher nicht hatten. Aber wir denken aktuell weiter: Wir wollen in diesem Jahr einen Trainertarif einführen. Der beinhaltet ein Einstiegsgehalt, das sich an dem Berufsabschluss orientiert, aber auch Gehaltssteigerungen. Wenn wir das beim LSB umgesetzt haben, werden wir in Abstimmung mit den Landesfachverbänden prüfen, ob ein ähnliches Modell auch für die Landestrainer umsetzbar ist. .
Wie ordnen Sie die Traineroffensive des LSB ein?
Die Kampagne fördert Bewusstsein und die Wertschätzung der Trainerschaft, signalisiert in gewisser Weise, dass sie eine Leistungs-Elite sind. Mit einer Wander-Ausstellung, u.a. im Landtag, wird das Thema verstetigt und im Bewusstsein der Menschen verankert. Ich halte die Kampagne daher für einen wichtigen ideellen Baustein.
Hannes Doesseler | Para-Tischtennis | Landtag NRW Düsseldorf
Jetzt steht Hannes Doesseler zum ersten Mal wieder hier: im Landtag. Und staunt über die Imposanz der Architektur und das Herzstück des
Gebäudes: den Plenarsaal. Als Steppke von zehn Jahren nahm ihn damals sein Großvater an die Hand und zeigte ihm stolz den Rohbau. Sein Opa
war Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und beim Neubau des Hohen Hauses am Rheinufer beteiligt. Heute ist Hannes Doesseler, ein studierter
Dipl.-Biologe, einer der erfolgreichsten Para-Tischtennistrainer in Deutschland. Zu seinen Schützlingen zählen Para-Tischtennis-„Stars“ wie
Sandra Mikolaschek, Valentin Baus und Thomas Schmidberger. Lange Jahre arbeitete er als Trainer in „prekären Beschäftigungsverhältnissen“.
Seine Empfehlung an die Volksvertreter*innen: „Sorgt dafür, dass die Trainer*innen beruflich besser abgesichert sind.“
Der Plenarsaal mit seinen leeren Sitzreihen wirkt auf dem Foto wie ein Vorzeichen des kommenden Lockdowns. Das transparente Dach wie eine schützende Glocke... Wenn es einen offiziellen Ort gibt, in dem Zukunft tatsächlich gesichert und Veränderung gestaltet werden sollte, dann ist es das Parlament. Hier werden Gesetze verabschiedet, Entscheidungen von Tragweite getroffen, der Ministerpräsident, die Ministerpräsidentin gewählt. Mit Folgen auch für den Sport.
Lassen Sie uns über Geld reden. Trainer bringen es ja fast ausschließlich in der Fußball-Bundesliga zu Wohlstand. In allen anderen Sportarten sieht es dagegen weniger rosig aus. Wie ist/war es bei Ihnen? Zu Wohlstand kann man es im Para-Tischtennis als Trainer nicht bringen. Ich wäre schon froh, wenn wir nicht immer nur Verträge für die Zeit von einer Paralympics zur nächsten bekommen würden. Und das auch nur erfolgsabhängig. Man muss schon ganz schön für diesen Beruf brennen, um das in Kauf zu nehmen.
Wie ist denn ihre Trainerkarriere verlaufen – vor
dem Hintergrund prekärer Beschäftigungsverhältnisse?
Ich habe viele Jahre parallel als Vereinstrainer und in einer kommerziellen Tischtennisschule gearbeitet. Aber für 15 Euro pro Stunde kann man keine großen Sprünge machen. Dann ab 2008 war ich Co-Trainer der Nationalmannschaft im Deutschen Behinderten Sportverband, habe gleichzeitig im Offenen Ganztag als Biologe gejobbt, hatte weitere Trainertätigkeiten. Endlich 2010 bekam ich eine halbe Stelle beim damaligen BSNW. Und so ging es langsam bergauf.
Apropos Paralympics.
Wie erlebten Sie die Verschiebung der Spiele von Tokio?
Die Verschiebung war richtig. Gerade im paralympischen Sport gibt es besondere Risikogruppen, zum Beispiel Sportler mit Ateminsuffizienz. Problematisch war die Zeit, als alles in der Schwebe war, ob die Paralympics und die Spiele verschoben werden. Während des Lockdowns hingen die Athleten ganz schön in der Luft. Als Trainerteam sahen wir unsere Aufgabe vor allem darin, eng zu begleiten. Zumal andere Länder weniger strikte Regeln hatten und wir nicht wussten, wie das mit dem Training ist. Nun haben wir einen klaren Zeithorizont und können darauf hinarbeiten.
Einerseits wünscht sich die Gesellschaft Erfolge im Sport, feiert >Medaillen, andererseits gibt es – wie man nicht nur an Ihrem Fall >sehen kann – Handlungsbedarf...
Richtig. Mein Mantra lautet: „You get what you pay for.“ Klar, die Traineroffensive des LSB ist eine gute Sache, auch die Ausstellung finde ich toll. Aber es kann wirklich nicht sein, dass man quasi immer mit einem Bein im Jobcenter steht oder sich überlegen muss, wie man seine Miete bezahlt.
Das Fotoshooting fand ja im Landtag statt. Da sind wir beim Thema „Demokratie“. Wie sehen Sie das im Verhältnis Trainer/Athlet. Sind Sie da überzeugter Demokrat, oder wie ist ihre Führungsphilosophie?
Als Trainer muss ich Entscheidungen treffen. Es geht z.B. in letzter Konsequenz um die Frage: „Wen nominiere ich?“ Man könnte es „Richtlinienkompetenz“ nennen. Bestimmte Entscheidungen kann ich nicht mit den Athleten abstimmen. Aber im normalen Trainings- und Wettkampfbetrieb sind wir auf Augenhöhe, ich diskutiere mit den Athleten, gebe Ratschläge, setze auf Austausch und
gemeinsame Ziele.
Christopher Braun | Bobfahren | Schieferbergwerk Nuttlar
Diesen Tunnelblick kennt er. Jahrelang raste er als Bobfahrer mit 130 Sachen durch den Eiskanal. Jetzt blickt er in den Tiefen des Schieferbergwerks Nuttlar auf Schienen, die sich durch kilometerlange Stollen ziehen. Und irgendwann im Dunkel verschwinden. „Eine Lore erinnert mich an einen Bobschlitten, beide sind rund 150 Kilogramm schwer. Es kostet eine Menge Kraft, sie anzuschieben.“ Christopher Braun, zum Zeitpunkt des Foto-Shootings Bundesstützpunkttrainer „Bob“ in Winterberg, hatte sich das Bergwerk als Location gewünscht. Hier herrscht absolute Stille, hier findet er Ruhe, beobachtet Fledermäuse, vergisst die Zeit. „Es ist ein Ausgleich zu meinem 24/7-Job als Trainer. Deshalb bin ich gerne hier.“ Inzwischen hat Braun die Stelle des OSP-Außenstellen-Koordinators am Stützpunkt übernommen. Der Trainerberuf fasziniert ihn nach wie vor: „Es ist toll, jungen Menschen etwas näherzubringen, was dir selbst viel bedeutet. Da steckt viel Herzblut drin.“
Das Schieferbergwerk Nuttlar ist in seiner über 100-jährigen Betriebszeit zu einem einmaligen, riesigen Bergwerks-Labyrinth mit kilometerlangen Gängen und riesigen Hallen auf fünf Ebenen bei einer Ausdehnung von ca. 20 Kilometern angewachsen. Wegen Corona ist dieser weltweit unvergleichliche Hotspot derzeit (September 2020) bis auf Weiteres geschlossen. Nur die beiden unteren Ebenen, die auf einer Länge von 12 Kilometern geflutet sind, stehen Tauchern zur Verfügung.
Sie hatten dieses Bergwerk als Fotolocation gewählt. Warum?
Ich besuche gerne Orte, an denen ich Ruhe finde. Manchmal flattern hier unter
Tage ein paar Fledermäuse, aber ansonsten: kein Ton. Es war ein Ausgleich zu meinem 24/7 Stunden-Trainerjob.
Sie sagten einmal, dass es Sie immer zu Eliten gezogen hat
und dass sich das auch in Ihrem Job als Trainer spiegelt...
Das stimmt. Ich wurde z.B. in meiner Bundeswehrzeit zum Fallschirmjäger
ausgebildet und durchlief eine Vorausbildung zum Scharfschützen...
Wie ging es dann weiter?
Danach absolvierte ich eine Physiotherapieausbildung. Um 2010 bekam ich eine Anfrage aus Winterberg, ob ich nicht als Bobtrainer einsteigen wollte...
Wie haben Sie Ihre Trainertätigkeit unterfüttert?
Mit dem vollen Programm. Ab 2011 bis 2016 habe ich den C-, B- und A-Trainer gemacht und dann berufsbegleitend den Diplom-Trainer in Köln.
Sie haben als bester Trainer des Jahrgangs abgeschlossen. Hut ab!
Danke schön. Mit dem Dipl.-Trainer in der Tasche hatte ich die Zulassung für das Studium zum Bachelor „Sport und Leistung“ an der Sporthochschule in Köln. Die finanzielle Unterstützung durch den BSD und den DOSB war bei beiden Studiengängen sehr hilfreich. Hierdurch musste ich nur einen kleinen Teil der Kosten selbst finanzieren.
Und wie verlief die Karriere als Trainer?
Ich war Landestrainer Bob bis 2015. Dann Stützpunkttrainer und ab Anfang 2019 war ich als Bundesstützpunkttrainer in Winterberg und für über 30 Kaderathleten verantwortlich. Das Team Anna Köhler mit Erline Nolte sowie Annika Drazek und Christopher Weber waren Teilnehmer bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Bei den letzten beiden Juniorenweltmeisterschaften haben wir neun von 18 Medaillen für den Stützpunkt gewinnen können.
Trainersein ist ein 24/7-Job…
Wenn du erfolgreich sein willst, musst du für deine Athleten immer erreichbar sein. Es geht nicht, bestimmte Dinge liegen zu lassen und erst nach zwei Tagen zu erledigen.
... und Sie in der Verantwortung…
Eine falsche Entscheidung kann fatale Folgen haben. Am Ende des Trainings noch einen weiteren Lauf im Eiskanal zu fahren, da muss man genau hinschauen. Sind die Athlet*innen zu müde, kann es sie bei 130 km/h ganz schön zerlegen. Das kann schwere Verletzungen nach sich ziehen und über eine ganze Saison entscheiden.
Mitte 2019 haben Sie die Stelle als Koordinator
für den Olympiastützpunkt Winterberg
angenommen. Was hat Sie dazu bewogen?
Es ist eine spannende Herausforderung, mich jetzt für alle sieben Disziplinen am Stützpunkt Winterberg einbringen zu können. Ich hoffe, durch bessere Strukturen noch mehr zu erreichen für das Sportland NRW. Ich wurde als Sportwissenschaftler eingestellt mit der zusätzlichen koordinierenden Tätigkeit vor Ort, unterstütze aber auch noch punktuell als Trainer. Ich halte es für einen Vorteil, dass ich als Mann der Praxis in meiner neuen Funktion eine andere Sicht mitbringe als reine Verwaltungskräfte. Und ein persönlicher Vorteil: Ich muss weniger reisen und kann generell meine Zeit besser einteilen...
„Nach Tokio ist vor Tokio“ hat Sie als
Wintersportler noch nicht betroffen...
Ja, aber es kommen immer mehr kritische Fragen in dieser Hinsicht auf mich als Koordinator zu. Derzeit arbeiten wir alle in einer Ungewissheit. Für den kommenden Winter rechnen wir mit fünf unterschiedlichen Saisonverläufen. Im besten Fall ist es wie immer, im schlechtesten findet gar keine Saison statt.
Friederike Kops | Sportklettern | Sportstudio WDR Köln
Wird eine Sportart olympisch, steigt das Medieninteresse. Ihre Protagonisten müssen ihre Kamerascheu ablegen und in Fotoshootings posieren: Spot an! So erging es Friederike Kops. Ihr „Sportklettern“ sollte 2020 in Tokio erstmals dabei sein. Mit der Verschiebung der Spiele brach dieser Traum zunächst ein. Was bleibt, ist ein Zeitdokument: Die Kölnerin „posierte“ beim Westdeutschen Rundfunk, hing rückblickend förmlich in den Seilen... Und zwar gleich mitten in dem Sportstudio, in dem sonst die Bundesliga präsentiert wird! Dabei kämpfte auch diese legendäre Sendung mit Spielausfällen der Liga. „Fritze“, mit 37 Jahren eine der jüngsten Bundestrainerinnen, bewältigte diese Herausforderung mit Bravour! Und bleibt positiv: „Man hat immer die Entscheidung, ob man sich aufregt über das, was gerade passiert, oder man macht das Beste aus der Situation. Zum Glück sind die meisten Kletterer
auch so eingestellt...“
Friederike Kops hatte ihren Beruf als Gymnasiallehrerin an den Nagel gehängt, um quasi rund um die Uhr ihre Schützlinge auf die Spiele in Tokio vorzubereiten. „Ich begleite die Sportler*innen auf ihrem Weg, kann sie fordern und fördern. Ein faszinierender Job.“ Nun muss sie weiter warten und ihren Talenten zur Seite stehen...
Sportklettern ist eine junge Sportart. Können
Sie kurz erklären, worauf man sich bei künftigen Spielen freuen kann?
Klar, mache ich gerne. In den Disziplinen Speed (Geschwindigkeitsklettern auf einer 15-Meter Route), Bouldern (Klettern ohne Seil und Sitzgurt bis zu einer Höhe von 4,5 Metern) sowie Lead (Schwierigkeitsklettern über Routen von 15 bis 25 Metern) wird sich Sportklettern im nächsten Jahr der Weltöffentlichkeit präsentieren. Bei den Olympischen Spielen werden die Disziplinen gebündelt im „Olympic Combined“. Eine Art Triathlon des Kletterns.
Wie sind Sie mit der Absage von Tokio 2020 klargekommen?
Für unsere beiden qualifizierten Athleten war das natürlich frustrierend. Aber so wie alle anderen haben sie das Glück, dass sie sich ihre Herausforderungen als Kletterer im Außen holen können, am Fels – und dort ihre Ziele setzen. Außerdem haben sie jetzt mehr Zeit, an ihren „Baustellen“ zu arbeiten. Während des Lockdowns hatten wir die Chance, in Kletterhallen ohne Publikumsverkehr zu trainieren. Ein Luxus! Gerade in NRW gab es früh Ausnahmeregelungen für Leistungssportler. Jetzt hoffen wir, dass im November die Europameisterschaften stattfinden. Dort könnte sich noch eine Athletin qualifizieren.
Für Ihre Karriere als Bundestrainerin haben Sie einen sicheren Job als Lehrerin für Sport und Sozialwissenschaften „sausen“ lassen: Warum?
Dafür muss ich ein bisschen ausholen. 2003 war ich zu Besuch in Chile, ich wollte dort die Sprache lernen. Freunde haben mich dann eingeladen, mit in die Berge zu gehen, um zu klettern. Mich hat das sofort fasziniert. Ich bin seitdem „addicted“, ein wenig süchtig könnte man sagen. Ich habe schon viele Sportarten kennen gelernt, vom Turnen bis zum Schwimmen, aber nur das Sportklettern hat mich wirklich gefesselt. Letztendlich ist daraus ein Beruf geworden. Ich bin jetzt seit über fünf Jahren beim Deutschen Alpenverein als Bundestrainerin tätig, seit 2017 in Festanstellung. Wenn Sportklettern nicht olympisch geworden wäre, dann wäre es sicher anders gelaufen. Es fließt einfach mehr Geld.
Aber den geregelten Arbeitsalltag einer Lehrerin haben Sie nicht?
Nein, natürlich nicht. Und das war mir auch von vornherein klar. Das ist kein Nine-to-five-Job. Eigentlich geht es rund um die Uhr. Beim täglichen Training dabei sein, Trainingslager vorbereiten, dann dorthin reisen, die Betreuung bei Wettkämpfen, Organisatorisches, Ansprechpartnerin für die Athleten sein. Aber es lohnt sich. Es macht einen Riesenspaß, ist eigentlich Selbstverwirklichung.
Sind Sportkletterer auch so eine verschworene Gemeinschaft wie zum Beispiel die Surfer, die sich an Hotspots wie in Portugal oder Hawaii treffen, um die wahnsinnigsten Wellen zu meistern?
Ja, das ist schon so. Du kannst deine Kletterfreunde überall auf der Welt in den abgelegensten Ecken am Felsen treffen. Ob in Fontainbleau bei Paris, in Siurana in Spanien oder um die Ecke in der Eifel – immer trifft man auf bekannte Gesichter in den Klettergebieten.
Sportklettern ist ein richtiger
Breitensport geworden...
Absolut. Wenn man sich allein anschaut, wie viele Kletterhallen in der letzten Zeit aufgemacht haben… Und dieser Boom kennt ja kein Ende. Die kommerziellen Betreiber sind natürlich am Freizeitsport orientiert. In den Hallen finden z.B. auch Kindergeburtstage statt. Da gilt es, gute Absprachen zu treffen, wenn man als Leistungssportler dort trainieren möchte. Aber aus den Breitensportaktivitäten rekrutieren sich natürlich auch viele Talente. Die vielleicht auch einmal bei Olympischen Spielen dabei sein möchten...
Andrea Milz | Sport-Staatssekretärin/Breitensport-Fitness | Schloss Drachenburg
Unsere Sport-Staatssekretärin Andrea Milz führt ein Doppelleben. Einerseits stellt sie politisch in Düsseldorf die Weichen für einen starken Vereinssport. Andererseits ist sie engagierte Trainerin mit insgesamt acht B- und C-Lizenzen, zum Beispiel für Indoor-Cycling, Zumba-Fitness oder Hot Iron. Grund genug, sie aufzunehmen in unsere Serie „Die besten Trainer – an den besten Orten“. Als Foto-Location bot sich das Schloss Drachenburg in ihrer Heimatstadt Königswinter an. Dort findet einmal im Jahr das Schlossleuchten statt. Der Künstler Wolfgang Flammersfeld illuminiert Säle, Gänge, Schlafgemächer, projiziert Fotos, Videos, sogar Buchstaben. In eine dieser Kathedralen des Lichts ließ sich Andrea Milz „entführen“. Sie sagt: „Eigentlich müssten alle unsere Trainer*innen mehr im Licht der Öffentlichkeit stehen – sie leisten so viel.“
Von dem Börsianer Stephan Sarter erbaut, der – so heißt es – niemals auch nur eine Nacht in der schon damals sündhaft teure Immobilie verbrachte. Eine bemerkenswerte Tatsache. Nach dem Tod Sarters 1902 folgten wechselnde Besitzer und Nutzungen, fast bis zum Verfall der Anlage. Schlussendlich erwarb das Land Nordrhein-Westfalen Schloss samt Park und übertrug das Ensemble der Nordrhein-Westfalen-Stiftung „Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege“. Diese finanziert sich übrigens hauptsächlich durch Lotterieerträge des LSB-Wirtschaftspartners WestLotto. Die Drachenburg, ein Gebäude, das Licht und Schatten kennt.
Licht und Schatten gehören auch zum
Politikeralltag, dennoch waren Sie in
diesem Jahr sicher besonders gefordert?
Das stimmt. Niemand hatte vorher je so etwas wie diesen Lockdown erlebt. Das war schon ein Schock. Wir mussten ja auch jegliche Vereinsaktivität stoppen. Was das bedeutet! Vereinsmenschen legen neben dem Sport besonderen Wert auf Begegnung, Gemeinschaft und Austausch... Davon waren sie von heute auf morgen abgeschnitten! Zwar haben wir bald Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, um die finanziellen Engpässe der Vereine aufzufangen, aber das öffnet noch keine Sportstätte.
Ab dem 7. Mai war Sport draußen und ohne
Kontakt erlaubt...
Die Vereine haben gezeigt, dass sie wirklich solidarisch sind mit der Politik und den zu schützenden Menschen. Dieser Zusammenhalt ist das positive „Licht“ dieser schweren Zeit. In diesem Vertrauen wurde dann am 11. Mai auch Hallensport zugelassen und die weitere Entwicklung eingeleitet bis zur heutigen „neuen Normalität“.
Was dachten Sie angesichts
der Verschiebung der Spiele in Tokio?
Die Absage war alternativlos. Mir haben vor allem die
Athlet*innen leid getan, die vor einer Teilnahme standen. Ich weiß, dass sie dafür unendlich viel auf sich genommen haben. Ich hoffe, dass sie nächstes Jahr ihre Chance
bekommen.
Sie selbst haben insgesamt acht Tainerlizenzen. Hut ab…
Das hat 2006 angefangen. Da bin ich kurzfristig als Übungsleiterin eingesprungen und habe gemerkt: Das macht nicht nur Spaß, ich kann das auch. Unter anderem habe ich den Übungsleiter-C-
Schein, die B-Prävention und -Reha sowie eine 100-stündige Pilates-
Ausbildung.
Sind sie denn immer noch – trotz ihrer Aufgabe
als Staatssekretärin – im Verein als Übungsleiterin aktiv?
Ja, klar. Die Kurse sind übrigens anständig voll… und ich glaube schon, dass die Leute wegen der Qualität des Trainings kommen...
Ein Wort zu ihren Trainerkolleg*innen im Leistungssport…
Außerhalb des Fußballs kennt man im Regelfall weder die leistungstragenden Spieler/Athleten noch die Trainer – egal wie beliebt die Sportarten sind. Eigentlich müssten alle unsere Trainer*innen mehr im Licht der Öffentlichkeit stehen – sie leisten so viel. Deshalb finde ich es sehr gut, dass der LSB die Coaches im Rahmen der „Traineroffensive“ aus der Anonymität holt.
Zur Drachenburg in ihrer Heimatstadt Königswinter: Es ist schon ein wenig Stolz herauszuhören, wie Sie von dem Schloss schwärmen...
Ja, das stimmt. Eigentlich war das für mich immer schon ein Magnet – seit meinen Kindertagen. Es war und ist ein bisschen wie Disneyland. Da braucht man nicht in die USA zu reisen, sondern hat so ein Erlebnis vor der Haustür.
Haben Sie schon mal
davon geträumt, hier zu übernachten?
Es gibt ja die Möglichkeit, das Schloss zu buchen. Zum Beispiel zur Hochzeitsfeier. Eigentlich müsste man nur deshalb heiraten, um die Hochzeitsnacht hier genießen zu können. Vielleicht mach ich das
ja noch…(lacht).
Andreas Tölzer | Judo | Japanischer Garten Düsseldorf
6.03 Uhr. Düsseldorf, Nordpark. Sonnenaufgang. Frühmorgendlicher Dunst liegt über dem See des japanischen Gartens. Alles hat hier Bedeutung, die kunstvoll beschnittenen Bäume, die Anordnung der Steine, die Wege, die Sträucher. Fernöstliche Philosophie und Weisheit finden ihren Ausdruck. Magie der Natur. Im Wasser spiegelt sich der athletische Körper von Andreas Tölzer. Er ist Olympia-Bronzemedaillengewinner 2012 im Judo. Die kunstvolle Vereinigung von Körper und Geist liegt in der DNA dieser Jahrtausende alten Sportart. Sie hat ihre Wurzeln in: Japan. Er sagt: „Magische Momente kenne ich auch in meinem Sport.“ Seit Abschluss seiner Karriere ist der heute 40-Jährige Landestrainer. Er möchte seine Athleten zu den nächsten Olympischen Spielen führen. Wohin? Nach Tokio... Aber in welchem Jahr?
Zum Zeitpunkt des Fototermins stand die Welt noch in der Erwartung großartiger Spiele in Tokio 2020. Andreas Tölzer selber errang 2010 eine Silbermedaille in wo?: Tokio! Judo hat seine Wurzeln in Japan. Was lag näher, als einen Ort zu suchen, der Bezug zu diesem Land hat. Fündig wurden wir in Düsseldorf. Hier befindet sich die größte japanische Gemeinde NRWs, es gibt viele japanische Firmen, Restaurants, einen Zen-Tempel und: den japanischen Garten im Nordpark. Die perfekte Location für dieses Motiv...
Heute hat das Motiv einen anderen Hintergrund: Die Verschiebung der Tokio-Spiele hat die Olympische Welt erschüttert. Eine gänzliche Absage ist im Bereich des Möglichen. Ein Riss, der sogar durch die japanische Gesellschaft geht. Die Begeisterung im Land ist einer Skepsis in weiten Bevölkerungskreisen gewichen. Trainer Tölzer ist mit seinem Herzen bei den Athleten: „Es tut mir im Besonderen um jene leid, die ihre Karriere nach den Spielen 2020 beenden wollten. Jetzt liegt noch einmal ein Jahr harten Trainings vor ihnen.“
Wie sind Sie zu Ihrem Trainerjob gekommen?
Ich war 20 Jahre Berufssoldat und irgendwann kam natürlich die
Frage auf, was wird in der Zeit danach. So habe ich mich entschieden, C-, B- und A-Trainerscheine zu machen und dann das Dipl.-Trainer-Studium an der Trainerakademie in Köln. Das lief alles parallel zu meiner aktiven Laufbahn, abgesichert durch die Bundeswehr. Jetzt bin ich seit 2017 Landestrainer.
Mit einem befristeten Vertrag bis Ende des Jahres...
Da bin ich entspannt. Es kann ja auch sein, dass sich das Trainerkarussell noch einmal dreht und irgendwann etwas in Richtung Bundestrainer frei wird. Es macht mir auf jeden Fall großen Spaß, als Trainer zu arbeiten. Ich hab halt mein Hobby zu meinem Beruf gemacht. Es ist toll, mit den Athleten zusammen zu arbeiten und aus meinem Erfahrungsschatz schöpfen zu können.
Haben Sie denn einen 40-Stunden-Job?
Laut Arbeitsvertrag ist das so, ja. (lacht).
Und in Wirklichkeit?
Ich weiß nicht, ob man das sagen darf…
Doch..
..Im Judo muss man normalerweise z.B. viel auf Wettkampfreisen gehen, wenn nicht gerade Krise ist. Da fahre ich dann beispielsweise mit den Athleten freitags mit einem Kleinbus nach Österreich und nach dem Wochenende und weiteren Trainingseinheiten am Wettkampfort wieder zurück. Da kommt schon einiges an Stunden zusammen. Also eigentlich bin ich „Mädchen für alles“. Ich suche auch Unterkünfte heraus, mache die Akkreditierungen usw.. Das bedeutet großen Verwaltungsaufwand. Aber im Zentrum steht natürlich die Arbeit mit den Athleten in Training und Wettkampf.
Ein Wort zur Bezahlung des Trainerjobs…
Na ja, reich wird man damit nicht, aber man kann gut davon leben. Ich hatte natürlich auch schon Angebote aus dem Ausland – dort kann man durchaus mehr verdienen. Aber letztlich möchte ich in Deutschland meinen Weg gehen.
Gibt es aussichtsreiche Athleten, die
den Sprung nach Tokio schaffen könnten?
Auf jeden Fall. Ende Februar 2020 hatten wir drei Athleten aus NRW, die wir vornominiert hätten. Jetzt müssen wir schauen, ob diese Vornominierungen auch nächstes Jahr Bestand haben. Im Judo gibt es beim Wettkampf leider keine Erfolgsgarantien. Das ist nicht so eine „gradlinige“ Sportart wie z.B. die Leichtathletik. Da weiß ich genau, wenn ich eine bestimmte Zeit erreiche, bin ich ganz vorne dabei. Dafür gibt es im Judo zu viele Unwägbarkeiten.
Nun steht ja noch nicht einmal fest, ob Tokio 2021
überhaupt stattfindet...
Natürlich war ich sehr enttäuscht von der Verschiebung und all den abgesagten Turnieren. Das Bundesleistungszentrum wurde geschlossen, wir hatten eine gute Form erarbeitet und wollten nun die Früchte ernten. Im Moment trainieren wir mehr oder weniger in den Tag hinein. Weder als Trainer noch als Athlet hat man ein Wettkampfziel vor Augen, der nationale und internationale Vergleich fehlt. Aber ich schaue immer nach vorne, egal wie schlimm es ist. Wir helfen den Athleten, ihre Fähigkeiten zu erhalten und hoffen, dass Tokio 2021 stattfindet.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich behaupte von mir, dass ich die Athleten soweit bringen möchte, dass sie große Selbstständigkeit erreichen. Ich bin kein „Diktator“, überhaupt nicht. Und ich habe in meiner Karriere viel von anderen Trainern gelernt. Das bezieht sich auf technische Aspekte, die Kampfführung, aber auch auf Zwischenmenschliches. Besonders beeindruckt hat mich ein Bundestrainer, er konnte uns Athleten so mitreißen, danach waren alle so motiviert, so dass es quasi keinen Weg gab, außer den, dass man auf die Matte geht und gewinnt. Alle waren bereit, alles zu geben, um zu gewinnen.
Pia Tolle | Turnen | Manege Circus Roncalli
„Akrobat schö-ö-ö-n“. All die Circus-Fantasien, Kindheitsträume sind in diesen beiden Worten von Charlie Rivel zusammengefasst. Der berühmte spanische Clown spielte schon 1943 die Hauptrolle in dem gleichnamigen Film. Seitdem hat die Welt der Manege nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Schon gar nicht im Circus Roncalli. Beim Gastspiel 2019 in Bonn trafen wir dort Pia Tolle, die beim Turnzentrum der Deutschen Sporthochschule Köln als Trainerin arbeitet. Ein Termin, wie er derzeit gar nicht möglich wäre. Alle noch gebuchten Gastspiele in Deutschland wurden im Zuge der Coronakrise abgesagt. Schweren Herzens, wie Roncalli schreibt. Die leeren Besucherränge auf dem Foto haben eine neue Bedeutung erhalten...
Pia Tolle ist mehrfache Deutsche Jugendmeisterin und - was eine besondere Leistung im Turnen ist – auch mehrfache Deutsche Meisterin im Erwachsenenbereich! Bei der WM in Tokio belegte sie mit der Mannschaft den 6. Platz und war bei den Olympischen Spielen in London Ersatzturnerin. Die 25-Jährige trainiert heute Top-Talente. Zwei wurden mittlerweile 16 und wären damit für Tokio 2021 startberechtigt...
Wir treffen Sie hier im Zentrum der Artistik.
Haben Sie selbst Anbindungen an die Welt des Circus?
Ich war als Kind viel im Circus. Als Turnerin verbindet man sich mit dieser Welt. Klar, wir werden anders ausgebildet, aber letztendlich hat der Sport viel mit Artistik zu tun. Gerade am Boden oder auf dem Schwebebalken. Man turnt ja nicht nur Elemente. Turnen hat auch immer künstlerische Aspekte mit Tanz und Musik. Im Circus bewerten zwar nur die Zuschauer, wenn man so will. Aber eine Darbietung ist beides.
Man weiß, dass im Eiskunstlauf oft nach der
Sportkarriere noch eine zweite in Shows folgt. Und beim Turnen?
Ich kenne Turner, die zum Circus gegangen sind. Bei Weltmeisterschaften kommen Scouts, die Turner gewinnen wollen. Da ist der Cirque du Soleil ziemlich aktiv.
Circus ist für viele ein Kindheitstraum…
Ja, stimmt. Das Circusleben hat viele schöne Seiten, aber man ist auch wenig zu Hause. Meine Oma nannte mich früher immer
„Circuskind“, weil ich als Turnerin schon so früh viel unterwegs war.
Wann ging es los?
Ich hab mit vier Jahren angefangen. Mein Lieblingsgerät war klar der Schwebebalken, aber auch Boden machte mir sehr viel Spaß. Am Schwebebalken hätte ich jeden Tag gerne drei Stunden trainiert. Als kleines Kind habe ich schon mehrmals die Woche trainiert, dann leistungsmäßig 25-30 Stunden wöchentlich. Morgens, mittags, abends: Training.
Hatten Sie nie das Gefühl, dass anderes zu kurz kommt?
Nein, eigentlich nicht. Mir hat es immer Spaß gemacht und ich wollte es ja genauso. Klar war es so, dass ich freitags früh nach Hause bin, weil ich am Samstag einen Wettkampf vor der Brust hatte – und die anderen gingen feiern... Aber ich hatte nie das Gefühl, irgendetwas zu verpassen.
Zu Ihrer Tätigkeit als Trainerin.
Was ist Ihnen besonders wichtig?
Ich möchte, dass meine Athletinnen das alles für sich tun. Dass sie nicht für die Trainerin die Belastungen auf sich nehmen. So etwas kenne ich nämlich aus meiner Vergangenheit.
Warum lohnt es sich, schon in jungen
Jahren dieses harte Training zu absolvieren?
Man wächst da einfach rein. Aber Leistungssport hat im privaten Bereich später viele Vorteile: Man lernt z.B. Durchhaltevermögen oder Disziplin.
Durchhaltevermögen ist wohl auch
gefragt angesichts der Olympiaverschiebung?
Schade für all die hochmotivierten Athlet*innen, besonders für jene, die nach Tokio ihre Karriere beenden wollten. Das ist schon extrem, noch mal ein Jahr diese Belastung dranzuhängen. Zumal nicht sicher ist, dass Tokio 2021 überhaupt stattfindet.
Sie betreuen ja selbst zwei startberechtigte Talente...
Die Aufgabe ist, die Motivation der beiden hochzuhalten und Spaß zu haben. Es ist schließlich schwierig, jeden Tag Vollgas zu trainieren, ohne irgendeinen Anreiz zu haben. Wir nutzen die Zeit auch, um neue Elemente zu lernen und an Defiziten zu arbeiten.
Sie stehen im Endspurt zum Master in
Sport und Englisch. Das kommt doch
sicher Ihrer Expertise als Trainerin zu Gute?
Ja, ich profitiere z.B. sehr von den Erkenntnissen der
Trainingslehre und den Hinweisen zur Periodisierung.
Früher war die Belastung oft viel zu hoch. Ich selbst war übertrainiert.
Ihre Trainerinnen kamen aus Osteuropa. Man hört immer wieder, dass sie besonders hart trainieren lassen...
Ich hatte fast nur russische Trainerinnen. Die stehen tatsächlich sehr unter Druck und neigen dazu, im Training sehr viel zu machen. Aber viele wissenschaftliche Erkenntnisse, die ich jetzt an der Uni frisch bekomme, standen
ihnen nicht zur Verfügung. Ich mache niemandem einen
Vorwurf. Ich mache heute einiges genauso wie sie.
Sie studieren auf Lehramt.
Wollen Sie nicht hauptberuflich Trainerin werden?
Also am liebsten hätte ich zwei halbe Stellen. Lehrerin zu sein, ist super. Aber mit den Mädels zu trainieren, das ist auch super!
Sergej Litvinov | Hammerwerfen | Hüttenwerk Krupp Mannesmann Duisburg
Wandel pur. Stahl kocht bei 1.500 Grad. Dann wird er flüssig. Die Funken fliegen. In den Duisburger Hüttenwerken Krupp Mannesmann entstehen Vorprodukte, die zu Autoblechen, Gasröhren oder Autositzfedern weiterverarbeitet werden. Man könnte daraus auch das sieben Kilo schwere Sportgerät der Hammerwerfer gießen: Eine Stahlkugel, die in den Stadien der Welt über 80 Meter durch die Luft geschleudert wird. Einer, dem diese Kugel mit auf den Lebensweg gegeben wurde, heißt Sergej Litvinov. Sein Vater war 1988 Olympiasieger, Sergej trat in seine Fußstapfen, wurde von Papa trainiert und ebenfalls Spitzenathlet. Heute arbeitet er als Trainer beim TSV Bayer Leverkusen und ist am dortigen Landesstützpunkt für den Nachwuchs „Wurf“ zuständig. Was lag näher, als Sergej im Duisburger „Stahlbad“ in Szene zu setzen?
Ein Stahlwerk wie die Hütte Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg ist eine Welt für sich. Mit eigenen Vorschriften, Ritualen, Regeln. Ein Normalsterblicher bekommt nur mit Genehmigung und vorbei an verschiedenen Sicherheitskontrollen Zugang. Hier produzieren 3.000 Mitarbeiter jährlich rund zehn Prozent der gesamten Stahlmenge, die in Deutschland hergestellt wird! Die Männer dort
arbeiten hart, unerbittlich und in extremer Hitze. Und sie sind stolz auf ihren Job, sind ein eingeschworenes Team unter extremen
Bedingungen. Bedingungen, die durch Corona verschärft wurden. Das Werk kämpfte mit Kurzarbeit, einige Mitarbeiter erkrankten sogar. Ein Beleg mehr, wie sehr ein winziges Virus selbst stählerne Welten ins Wanken bringen kann...
Auch die Welt des Hammerwurfs war einst im Wanken, Stichwort Doping. Sergej Litvinov sagt, dass die leichtathletische Disziplin technisch eigentlich sehr anspruchsvoll sei, aber früher durch Doping total verhunzt worden sei. Mit Anabolika konnte man auch ohne technische Finesse den Hammer weit über 85 Meter schleudern. Heute sind es im Spitzenbereich rund fünf Meter weniger. Aussagen eines Kenners über einen faszinierenden Sport.
Sie sind in Leverkusen als Trainer für den Nachwuchs im Bereich
Hammerwerfen zuständig. Was sollte einen jungen Menschen davon
überzeugen, enorm viel Zeit und Kraft ins Hammerwerfen zu investieren?
Hammerwerfen ist ein komplizierter Bewegungsablauf. Man kann sich dem Optimum eigentlich immer nur annähern. Es hat mir in meiner Karriere immer sehr viel Spaß gemacht, daran zu feilen. Es ist aber auch so, dass man als Spitzensportler enorm viel in der Welt rumkommt. Viel sieht.
Aber muss man nicht auch auf einiges verzichten?
Ja, sicher. Aber man bekommt auch eine Menge. Natürlich feilt man im Leistungssport insbesondere an seiner Persönlichkeit, am Mentalen. Man lernt, seine Emotionen zu kontrollieren, systematisch zu planen und sammelt schon in jungen Jahren viele Erfahrungen in verschiedenen Bereichen. Muss sich durchsetzen, gegen Widerstände erfolgreich sein.
Ihr Vater war ein berühmter russischer Hammerwerfer.
Er wurde z.B. Olympiasieger und man kann sagen, dass er die
russische Hammerwurf-Schule sehr beeinflusst hat. In dieser
Tradition stehen Sie. Was ist das eigentlich – eine Hammerwurf-Schule?
Wir haben immer sehr viel Wert auf die Technik gelegt. Der Kraftaspekt mit intensivem Training in diesem Bereich wurde weniger betont. Ich glaube, das war mit ein Grund, warum ich den Job in Leverkusen bekommen habe. Vielleicht kann ich einen Beitrag leisten, dass hier einige gute Einflüsse zum Tragen kommen. Denn unser Sport ist in der Tat technisch anspruchsvoll und mental herausfordernd. Diese Faszination möchte ich meinen jungen
Athlet*innen vermitteln.
Zu Ihrer Rolle als Trainer. Wie sehen Sie die?
Trainer und Athlet sind für mich auf Augenhöhe. Es ist wichtig, dass die Athleten schon in jungen Jahren selbstständig werden, dass nicht zu früh eine Spezialisierung stattfindet.
Was meinen Sie genau?
Wer Kraft und Umfänge in jungen Jahren schon intensiv trainiert, wird früh erfolgreich sein. Aber was kommt dann, um ganz nach vorn zu kommen?
Eine breite Grundlagenausbildung ist wichtig. Technik ist wichtig in jungen Jahren, weil man Bewegungsabläufe am besten früh schult. Und erst dann wird Krafttraining wichtig.
Ihre Schützlinge sind noch zu jung
für Olympia, was denken Sie
dennoch über die Verschiebung?
Es wäre schlimm, wenn die Spiele trotzdem stattgefunden hätten. Nun muss man sich
anpassen. Für die Athlet*innen heißt das, neu zu planen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Für meine Arbeit hat das tatsächlich keine unmittelbaren Auswirkungen.
Sie absolvieren noch in Moskau
ein Sport-Fernstudium.
Wie ist Ihre persönliche Lebenssituation?
Ich bin sehr froh, dass ich über den TSV Bayer 04 Leverkusen die Chance bekommen habe, hier als Trainer zu arbeiten. Auch meine Frau konnte nach einem bestandenen Sprachtest im Oktober vergangenen Jahres nach Deutschland kommen. Also, es ist alles auf einem guten Weg!
Robert Berger | Kanu | Raketenstation Hombroich
Gestern war hier ein Ort des Schreckens – der Abschreckung. Heute ist das Areal in den Erftauen bei Neuss eine architektonisch anspruchsvolle Pilgerstätte für Kunstinteressierte. Bis 1993 lagerten in der Raketenstation Hombroich Sprengköpfe für Cruise Missiles und Pershings. Der Ort war auf keiner Landkarte verzeichnet. Jetzt präsentieren internationale Künstler hier in einem offenen, glasklaren Kulturraum ihre Werke. Was für ein Wandel. Davon kann auch Kanu-Trainer Robert Berger ein Lied singen. In den 80er Jahren begann er in Berlin seine Karriere. Er erlebte in der geteilten Stadt die Ausläufer des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung. Ein Zeitensprung... Am 9. November war er...wo sonst?...mit seinen Schützlingen im Kraftraum des Berliner Landesleistungszentrums. Heute trainiert er die Spitze. Max Rendschmidt und Max Hoff führte er zum Olympiasieg.
Früher lagerten in der Raketenstation Hombroich totbringende Sprengköpfe. Dann wurden sie im Rahmen von Abrüstungsverhandlungen „entsorgt“. Zurück blieben Stacheldrahtzäune, Hallen, Hangars, Bunker, Erdwälle... 1994 erwarb Karl-Heinrich Müller das riesige Gelände und erschuf mit Mitstreitern einen imposanten Kunst- und Kulturraum. Welch ein Kontrast! Auch Kanutrainer Robert Berger zeigte sich von dem Areal beeindruckt. Extra für den Fototermin hatte der 59-Jährige ein Kanu mitgebracht, das er in einem zum Kunstraum gehörigen See zu Wasser ließ. Sport trifft Zeitgeschehen. Aktualität pur.
Wir fotografieren Sie auf dem Gelände
einer ehemaligen Raketenstation.
Was verbinden Sie mit dieser Location?
Ich hab zu Zeiten des Kalten Krieges in den 80er-Jahren in Berlin gelebt. Die Wendezeit habe ich wie eine Befreiung empfunden. Wir haben ja eigentlich immer vor eine Mauer geschaut. Aber die Maueröffnung habe ich verschlafen. Wir waren im Kraftraum im Leistungszentrum in Tegel, das werde ich nie vergessen, da kam die Ansage, dass die Mauer geöffnet wurde. Wir haben noch was zusammen gegessen und sind dann nach Hause… Die Tage danach waren allerdings der Hammer...
Ein einziges Fest.
Den Blick auf die Politik haben
Sie bei aller Fokusierung
auf Ihren Sport beibehalten?
Ja, das stimmt. Ich beobachte schon sehr genau das Zeitgeschehen – ohne jetzt politisch engagiert zu sein. Die Spaltung in der Gesellschaft, die Erosion der Demokratie im Westen – das macht mir schon Sorge. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Klimawandel oder in Folge der Coronapandemie, auch das frage ich mich.
Inzwischen ist hier ein toller
Kunstraum entstanden.
Haben Sie einen Bezug zur Kunst?
Also, ich will mal von dem Alltag eines Trainers erzählen. Ich bin vormittags als Schulsportreferent bei der Stadt Essen
beschäftigt, nachmittags am See beim Training. Danach laufen z.B. die Anrufe von Athleten ein. Ich muss viel „Verwaltungskram“ machen. Jeden Tag. Am Wochenende bin ich samstags und sonntags beim Training oder bei Wettkämpfen. Wenn ich die Tage zählen würde, an denen ich mit meiner Familie mal am Wochenende in den letzten Jahren unterwegs war: Das kann ich an einer Hand abzählen. Da bleibt wirklich keine Zeit für Kunst…
Schauen Sie selbst auf eine sportliche
Karriere als Ausgangspunkt für Ihre Trainerlaufbahn?
Ich komme aus dem Kanusport und habe schon in ganz jungen Jahren Flüsse bereist. Irgendwann habe ich in einer Bootshalle Rennboote entdeckt. Da gab es auch Boote von Weltmeistern. Das hat mich beeindruckt. Und dann habe ich das Training von Rennkanuten beobachtet. Ziemlich faszinierend. Irgendwann mit ca. 14 Jahren habe ich dann entschieden: Das will ich auch!
Nach dem Abitur stand ich vor der Entscheidung: Stehen Aufwand und Nutzen meiner eigenen leistungssportlichen Karriere noch in einem guten Verhältnis oder schlage ich die Karriere als Trainer ein? Ich habe mich dann für letzteres entschieden.
Und wie sah Ihre Karriereleiter aus?
Ich habe alle Stufen durchlaufen, vom Übungsleiter bis zur
A-Trainerlizenz. Außerdem habe ich Sport in Köln studiert. 1987 war dann die Stelle als Leitender Landestrainer in Berlin ausgeschrieben. Ich habe mich beworben und wurde genommen. Zack, war ich in der Hauptstadt. Zwei Jahre vor der Wende! Eine bewegte Zeit.
Und dann Sind Sie irgendwann
in Ihre Heimat – ins Ruhrgebiet – zurück?
Ja stimmt. Das war 1993. Einerseits hatte das sportliche Gründe. Andererseits war das eine familiäre Entscheidung, die ich nie bereut habe. Ich fühle mich sehr wohl als Leiter des Landes-leistungsstützpunktes Kanu in Essen. Hier bin ich auch Vereinstrainer bei der KG Essen. Von hier aus durfte ich dazu beitragen, dass Athleten wie Max Rendschmidt oder Max Hoff ganz in der Spitze angekommen sind.
Apropos Spitze: Wie erlebten Sie
die Verschiebung der Spiele von Tokio?
Sie hat uns zunächst fassungslos gemacht. Aber schnell war klar, dass wir weitertrainieren. Denn wenn wir Pause machen würden, brauchen wir nächstes Jahr gar nicht hinfahren. Zusammen mit dem Deutschen Kanuverband haben wir entschieden, die Jahresrhythmisierung aufrecht zu erhalten so gut es geht, und ab Oktober in die neue Olympiavorbereitung einzusteigen. Unabhängig davon, ob es noch internationale Weltcups gibt oder nicht. Eine gewisse Verdrängung ist bei all dem ganz hilfreich...
Marvin Caspari | Stabhochsprung | e.GO Mobile AG Aachener Werk 1
Der knuffige e.GO Life macht alles anders. Schon dass es im Aachener Werk 1 des Elektroautoherstellers e.GO Mobile AG keine klassischen Fertigungsbänder mehr gibt, ist aufregend neu. Wird hier produziert, fahren die Chassis auf autonomen Transportfahrzeugen,
sogenannten Automated Guided Vehicles, zu Montagestationen, an denen sie mit Bauteilen aus Thermoplast bestückt werden. Am Ende der Produktionsstraße ist ein E-Cityflitzer entstanden.
Wenn seine neuen Besitzer aufs Gaspedal drücken, spurtet das Auto nach vorne. Denn die Energie in einem Elektromotor wird ab der ersten Sekunde freigesetzt. Im Stabhochsprung ist das genauso. Vom ersten Schritt an fügt der Springer Energie zu, es gibt dann keinen passiven Moment mehr. Das vermittelt Marvin Caspari auch seinem Nachwuchs am Olympiastützpunkt NRW/Rheinland in Leverkusen. Er sagt: „Keine Angst vor der Energie, die Du selbst entwickelst.“
Was vor Jahren niemand für möglich gehalten hätte, wurde in Aachen Realität: Professor Schuh von der RWTHU Aachen nahm es mit den Großen auf, entwickelt ein günstiges Elektroauto und rollte die deutsche E-Mobilität von hinten auf. Doch bei aller Innovationsfreude und allem Mut: Im Jahr nach dem Fototermin setzte das Unternehmen im Sommer die Produktion aus und ging in ein Insolvenzverfahren. Auch beste Innovationen müssen sich eben am Markt durchsetzen und eine Pandemie ist da auch keine Hilfe.
Beim Fototermin mit Marvin Caspari war die Montage noch voll in Betrieb. Grazil balancierte er mittendrin seinen 4,60 Meter langen und drei Kilo schweren Stabhochsprungstab als ginge es auf die gewohnt hohe Latte zu. Diese zu überwinden, ist für seine Schützlinge das Ziel. Wie auch das Werk einige Hindernisse
nehmen muss...
In der E-Mobilität wird durch Technik
Neues geleistet. Gibt es eine Analogie zum Stabhochsprung?
Beim Stabhochsprung kann man an jedem Zahnrad drehen. Es ist technisch extrem anspruchsvoll, aber wenn Dir die Physis fehlt, springst Du trotz bester Technik nicht hoch. Klar: Die Technik wird aber auch sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Franzosen sind schnell und akrobatisch, irgendwie filigran. Die Polen sind unglaublich kräftig. Die deutsche Schule vereint Schnelligkeit, gutes Turnen, Athletik und technische Perfektion.
Aachen ist für Stabhochspringer eine besondere Stadt – hier findet das berühmte Domspringen statt...
Das ist für uns Athleten der tollste Wettbewerb der Welt und macht super viel Spaß. Der Deutsche Rekord wurde hier in Aachen
gesprungen, von Björn Otto, der auch mal mein Techniktrainer war. Die Kulisse ist unfassbar, 7.000 Menschen, die Zuschauer stehen einen Meter neben der Anlaufbahn. Ich hoffe, dass das bald wieder möglich sein wird. Als ich zum ersten Mal dabei war, war ich nervös und kreideweiß. Und habe mich prompt falsch eingeschätzt. Weil die Leute mich so gezogen haben, konnte ich eine bessere Leistung abrufen, als ich geahnt hatte. Leider hatte ich mich für den falschen Stab entschieden ...
Ist die Höhe noch steigerbar?
Der Weltrekord liegt bei 6,18 Metern. In Leverkusen arbeiten wir viel mit der Biomechanik zusammen. Der Biomechaniker sagt: Bis 6,50 Meter kann man noch springen, danach ist wegen der Gesetze der Physik Schluss.
Sie waren aktiver Stabhochspringer und trainieren inzwischen den Nachwuchs beim TSV Bayer Leverkusen...
Mir wurde 2017 die Trainerstelle angeboten. Das war ein harter Cut, aber ich habe das noch keinen Tag bereut. Ich betreue 20 Sportler*innen von der U12 bis zur U20.
Davon sind zwei im Bundeskader und drei im Landeskader. Finn Torbohm wurde 2019 und 2020 Deutscher Meister U18. Das ist „mein Kind“, ich bin unfassbar stolz auf seine Entwicklung. Er war schon Deutscher Meister U16. Als ich ihn 2017 übernommen habe, hat es etwas Zeit gebraucht, bis wir uns auf Augenhöhe verstanden haben. Inzwischen arbeitet er mit sehr viel Vertrauen in mich.
Für die Besten der Besten war
Tokio 2020 das große Ziel. Und jetzt?
Tokio betrifft mich ja nur am Rande. Aber wir sind hier ein Trainerteam und da kriege ich hautnah mit, was los ist. Meine Kollegin Christine Adams betreut zwei der besten deutschen Stabhochpringer. Für uns alle ist die Jahresplanung zusammengebrochen, aber die sind noch jung und hungrig genug, um das 2021 durchzuziehen. Die vergangenen Monate waren auch für mich und meine Talente eine große Herausforderung. Ich bin froh, dass die immer noch motiviert zum Training kommen. Es ist ein Stück Normalität, aber eine gewisse Leichtigkeit ist abhanden gekommen...
Können Sie Ihre Athleten gut loslassen?
Wenn man gewissenhaft gearbeitet hat, geht man dem regelrecht euphorisch entgegen. Finn hatte bei der Deutschen Meisterschaft einfach Bock zu springen – darauf arbeitet man das ganze Jahr über hin. Gehen lassen und performen lassen ist sehr schön. Schwieriger ist es, wenn die Athleten aus meiner Altersstruktur raus sind. Ich trainiere die Kinder von zwölf bis 20 Jahren und muss sie anschließend in die Obhut der nächsten Trainerin geben. Aber wir haben in
Leverkusen tolle Strukturen. Ich gebe sie in gute Hände.
Dinah Pfizenmaier | Tennis | Zeche Zollverein Essen
Als sich 1932 zum ersten Mal die Förderräder des markanten Doppelbocks drehten, ging eine höchst effiziente Kohlen-Fließbandarbeit in Betrieb. Heute ist die Essener Zeche Zollverein Unesco-Weltkulturerbe. Die schönste Zeche im Ruhrgebiet – die harte Arbeit verbarg sich hinter klarer Eleganz. Dinah Pfizenmaier versteht diesen Ort. „Tennis bedeutet Kampfgeist, Wille, ehrliche Arbeit“, sagt sie. In ihrer aktiven Zeit war sie die Nummer 79 der Tennis-Weltrangliste. „Ich musste hart arbeiten und in der Asche wühlen.“ Heute trainiert sie den Nachwuchs als Verbandstrainerin des Westfälischen Tennis-Verbandes und als Bundestrainerin U14. Sie sagt: „Obwohl Tennis eine Einzelsportart ist, zählen Werte wie Vertrauen, Teamgeist, Zusammenhalt. Etwas, was wir den jungen Athleten mitgeben.“
Wenn es eines Symbols bedürfte, um zu aufzeigen, wie radikal Zeitenbrüche sein können, die Zeche Zollverein wäre dafür geeignet. Vom Industriemonument im Norden der Krupp-Stadt, das für die Prägung einer Region ebenso steht wie für deren Ende und Strukturwandel. Zeuge einer vergangenen Malocher-Epoche, heute Standort der Folkwang Universität der Künste und des Ruhrmuseums, Gründerzentrum und Eventlocation.
Zu unserem „Event“ erschien Dinah Pfizenmaier in Weiß. Darum hatten wir sie vorab gebeten. Der Kontrast konnte nicht größer sein: Die Tennistrainerin in Wimbledon-Weiß, mitten in der alten Kohlenwäsche, einer Großmaschine, die die geförderte Kohle sortierte und klassifizierte. Für das Foto schlug sie vorsichtig Bälle – schließlich steht alles hier unter strengstem Denkmalschutz. Von Zeit zu Zeit kam ein Sicherheitsmann: „Das ist eigentlich gar nicht erlaubt“, und manchmal mussten wir unser Shooting für eine Schulklasse unterbrechen. Alles hat sich gewandelt...
Wir hatten gehofft, dass Ihr Opa auf Zeche war. Dann hätten wir eine erste, wunderbare Verbindung zur Zeche Zollverein gehabt...
Nein, meine Eltern sind Lehrer. Ich komme gebürtig aus Oerling-hausen bei Bielefeld.
Es gibt keinen „Schichtwechsel“ im Tennis?
Doch, ein wenig. Tennis ist längst nicht mehr so elitär wie früher. Aber Tennis ist halt kein günstiger Sport. Das Material, die Schläger, die Bespannung, die Schuhe – die Trainerkosten und die Hallenkosten! Das summiert sich. Viele angehende Tennisspieler haben den Wimbledon-Traum im Kopf: elegante Spieler, ganz in Weiß.
Wie Roger Federer.
In Weiß muss nur noch in Wimbledon gespielt werden.
Auch Sie waren dort...
Ja. Ich spiele Tennis, seit ich acht bin. Bis zum Abitur habe ich wenig international gespielt, das entsprach nicht meiner technischen Entwicklung. Aber zwischen Abi und Studienbeginn – was sind das, acht, zwölf Wochen? – habe ich mir gedacht, dass ich international aufschließen will. Und das ging plötzlich total gut und hat irre Freude gemacht. Die Grand Slam-Turniere waren eine wahnsinnige Erfahrung. Ich vermisse die Zeit, ich wäre gerne wieder dort.
Ihre Schulter macht aber nicht mit...
Nein. Ich wurde operiert, hatte anderthalb Jahre Reha, aber es ist nicht weg. Keine Ahnung, was da los ist. Aber zwei Stunden Training sind gut auszuhalten.
Sie arbeiten seit vier Jahren als Trainerin...
Ich habe den C-, B- und A-Schein gemacht. Jetzt studiere ich an der Trainerakademie Köln im Diplom-Studiengang. 2022 werde ich abschließen und habe dann die höchste Lizenz. Übrigens als eine der wenigen Frauen im Tennis. Damit kann ich mich breiter aufstellen. Denn Trainerin sein bedeutet nicht nur auf dem Platz zu sein. Projekte machen mir Spaß, und ich betreue den Instagram-Kanal der WTV-Talentschmiede.
Sie waren gerade an der Trainerakademie, als Sie von der
Verschiebung der Olympischen Spiele erfuhren...
Ja, meine Arbeit berührt es zwar nicht, aber einige, mit denen ich dort das Diplom mache, zum Beispiel aus der Leichtathletik, betraf das unmittelbar mit ihren Athleten. Da war schon ein Knick zu spüren. Mein Tennisnachwuchs kam aus dem Lockdown zum Glück gesund und fit wieder. Alle waren froh, dass es wieder auf den Platz ging und es war eine Leichtigkeit im Training zu spüren.
Sie tragen eine Jacke mit
den Werten der WTV-Talentschmiede...
Die WTV-Talentschmiede ist ein Projekt, an dem ich
gerade mitarbeite. Wir Trainer erarbeiten mit den Kindern und Jugendlichen ja mehr als Vor- und Rückhand, sondern wir begleiten sie in ihrer Charakterbildung. Dazu geben wir ihnen Werte mit: Teamgeist, Respekt, Fairplay, Verantwortung und andere. Obwohl Tennis eine Einzelsportart ist, sollen die Kinder im Kader füreinander einstehen. Und auch wir Trainer sind mit diesen Werten auf Augenhöhe, wir wollen ja nicht über ihnen stehen. Teamgeist zum
Beispiel muss sich auf allen Ebenen spiegeln.
Lassen Sie uns noch einmal auf diesen Ort, auf die
Zeche Zollverein zurückkommen. Auch hier zählte
Verlässlichkeit, Verantwortung, Teamgeist...
Ich sehe sogar noch eine andere Verbindung zu mir: Den Staub, die Asche – Asche wie bei den French Open, das war mein Lieblingsbelag! Aber die engere Verbindung ist die harte Arbeit: Als Tennisspielerin über die Athletik zu kommen, sich auszupowern, zu kämpfen bis zum Umfallen, das letzte aus mir herauszuholen – das ist mein Sport.